Auf hohem Niveau!

Der heutige fünfte Tag meiner Reise beginnt mit einem gepäcklosen Aufstieg auf den Pico do Ruivo da Serra, mit einer Höhe von 1600 und ein paar zerquetschten Metern, von dem man einen herrlichen Überblick über diese Hochebene bekommt. Mächtig und imposant wirkt sie, wie sie sich in dieser Höhe beständig ausbreitet. Nur bei der Namensgebung sind die Madeirenser etwas unkreativ. Gestern war ich noch am Pico Ruivo, jetzt bin ich am Pico de Ruivo da Serra. Naja oder „Pois“, wie die Portugiesen sagen würden. Ich war in etwa 15 Minuten oben und genieße die Morgenstimmung.
Anschließend gibt es ein ausgedehntes Frühstück bei der Campingstelle, man muss sich ja nach vollbrachten Taten belohnen. Und abschließend gibt es eine schon sehr notwendige Waschung an der Levada, bevor ich meine Sachen packe und weiter Richtung Westen aufbreche. Mein Tagesziel ist aber derselbe Platz wie gestern, da ich zwei Freundinnen morgen in Sao Vicente, im Tal nordöstlich der Serra do Paul treffen will. Als Zwischenziel möchte ich die “Vinte e cinco Fontes”, erreichen, befürchte aber, dass sich das nicht ausgehen wird, da es bereits sehr spät ist. Außerdem quälen mich andere Sorgen, da das Gas des Gaskochers sein Ende nimmt und mir das Essen auch schön langsam ausgeht.

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Pául da Serra am Morgen

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Am Pico de Ruivo do Pául da Serra

Ich schreite trotzdem ohne Eile quer über die Serra, ohne mich von negativen Gedanken aus der Ruhe bringen zu lassen und genieße und fühle die Landschaft. Außerdem ist man ja schnell wieder in der Zivilisation.
Ich komme mir vor wie in der Prärie. Hier könnte man einen Western drehen. Ausgetrocknete nahezu endlose Weite, es fehlen nur die Strohballen die über den Weg hüpfen. Dornbüsche und Stechginster säumen die kleinen wenig vorhandenen Wasseradern. Die Windkraftwerke und die Straße stören ein bißchen in der Idylle. Aber irgendwoher müssen die 250.000 Einwohner und die unzähligen Touristen ja die Energie beziehen. Aber ich bin trotzdem der Meinung die Hochebene braucht einen Don Quijote, der die Windmühlen bekämpft. Dann und wann queren Autos die Hochebene auf dieser Straße, in deren Nähe ich wandere. Als nächstes Ziel will ich Urze erreichen, da es hier ein Restaurant gibt und ich dann heute noch mit meiner Nahrung durchkommen könnte.
Tja und wie es der Zufall so will, treffe ich dort wieder auf Uwe, der heute morgens schon früher aufgebrochen war. Er hat vor bis zum Cascata do Risco oder sogar noch weiter zu wandern und er schlägt mir eine Route vor, die so als Wanderweg nicht gekennzeichnet ist. Wir vergleichen unsere Karten, er sagt mir wo ich hin muss, um den Weg zu finden und zieht weiter.

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I´ve come a long way Baby…

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Die Prärie und die Cirren, die mich schon den ganzen Tag beunruhigen

Ich bleibe erst mal hier und esse mmmmmhh Hühnersuppe und Hühnchensalat. Ich unterhalte mich ein bisschen mit dem Kellner und erkundige mich nach dem Wetter der nächsten Tage, da mich die Cirren die heute den ganzen Tag schon am Himmel zu sehen sind beunruhigen. Er meint morgen bleibt es noch gut aber übermorgen wird es schlechter. Naja, ich schlemme in mich hinein und begutachte die Karte. Nachdem ich mein Mittagsmahl genossen habe, beschließe ich den Vorschlag Uwes zu befolgen und gehe in diese Richtung. Schon bald sehe ich ihn aus der Distanz durchs Gebüsch huschen und ich denke: “Der ist aber nicht weit gekommen”. Er wirkt etwas ratlos. Ich schließe auf und es stellt sich heraus, dass er den Weg nicht gefunden hat. Erneut vergleichen wir unsere Karten und schließlich finden wir den versteckten Abstieg. Nach gut einer halben Stunde kommt uns ein altes schnaufendes deutsches Ehepaar entgegen und sie bestätigen uns den Weg. Sie geben uns den Tipp bei der nächsten Gabelung  rechts zu gehen, da dieser Weg zu einem sehr idyllischen Platz mit Wasserfall führe. Also halten wir uns bei der nächsten Kreuzung rechts. Und tatsächlich ein Wasserfall, der in ein kleines natürliches Becken stürzt, menschenleer… herrlich. Ein Regenbogen bricht sich im herabstürzenden Nass. Wir nehmen ein Bad und folgen anschließend dem Flusslauf für wenige Meter und siehe da, wir sind beim Cascata do Risco, nur nicht unten, wo sich die Touris tummeln sondern oben und alleine. Genial.
An dieser Stelle beschließe ich dann umzukehren, um noch rechtzeitig den Schlafplatz von gestern zu erreichen. Ich verabschiede mich erneut von Uwe, doch diesmal endgültig, da unsere Wege in unterschiedliche Richtungen führen.

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Ein Stechginster

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Quem não risca, não petisca

Ich gehe nun einen anderen Weg zurück, entlang einer Levada, wo allerdings der Weg auf meiner Karte endet. No Risk, no Fun, oder wie der Portugiese sagen würde: Quem não risca, não petisca. Von dort führt allerdings ein Pfad der Jaeger zurück aufs Hochplateau. Ich überquere den Bach, den wir vorher in die Tiefe stürzen haben sehen und bemerke einige Forellen in dem Gewässer. Schnell funktioniere ich meinen Müllsack mit einem Ast um, in einer Kescher. Petri heil. Leider habe ich nicht genügend Geduld, Geschick oder Glück oder wie man es auch nennen mag. Oben angelangt quere ich die Ebene querfeldein, um schnell zurück zu kommen. Vom Nordwesten her sehe ich Wolken die sich auf das Hochplateau hochschieben. Immer schneller rückt die Wolkenwand näher in meine Richtung. Ich denke: “Der Kellner wird doch nicht etwa Unrecht haben.”, und beeile mich, um den Schlafplatz zu erreichen bevor der Nebel einfällt. Geschafft. Schnell das Zelt aufgebaut und die Nudelsuppe gekocht. Vor dem Schlafengehen werfe ich noch einen Blick hinaus. Der Himmel scheint wieder klar und ich sehe die Sterne.

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Man nimmt ein Bad

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Die Wolkenwand rast auf mich zu

Madeiras Wirtschaft:
Madeira veramrte in der Zeit der Diktatur unter Salazar und viele emigrierten nach Südafrika, Europa und Venezuela. Nach der Nelkenrevolution allerdings holte die Insel stark auf. Der Tourismus, die Bauindustrie und die Freihandelszone spielten dabei eine wichtige Rolle. Doch den Tourismus muss man erst einmal ins Laufen bringen und da hatte der umstrittene Präsident Alberto João Jardim der Regierung des autonomen Inselarchipels seine Finger im Spiel. Einen interessanten Artikel über ihn findet man auf www.nicht-erschienen.de/Pate.html. Er ist seit mittlerweile 30 Jahre im Amt und von den Madeirern immer wieder bestätigt worden. 30 Jahr im Amt einer demokratischen Regierung ist globaler Rekord. Er soll teilweise Gelder für diese Bauvorhaben auf politisch unkorrektem Wege erschlichen haben. Doch die Tourismus und die Baubranche pushen einander gegenseitig, kommen mehr Touristen, braucht man mehr Infrastruktur. Sind die Hotelbetten gefüllt, so wird dir Nachfrage in der Baubranche gefördert. Somit hat der BIP der Insel relativ rasch zum kontinentalen Portugal aufgeholt und nach dem EU-Beitritt Portugals hat sich diese Entwicklung noch beschleunigt, sodass Madeira heute nur knapp unter dem EU-15 Durschnitt liegt. Eine der wichtigsten Investitionen der letzten Jahre, war die gemeinsam mit der EU finanzierte Verlängerung der Landebahn am Flughafen Madeira für 520 Millionen Euro. Dabei wurden bis zu 120 Meter lange Betonsäulen mit 3 Meter Durchmesser errichtet, um die Landebahn auf 2777 Meter über die Klippen hinaus zu verlängern. Jetzt können hier alle Flugzeugtypen landen und mit dem Anwerben von Billigflug-Gesellschaften sollen zusätzliche Aktivurlauber gelockt werden. Des Weiteren wurden unzählige Straßenbau und Tunnel-Projekte realisiert, um alle möglichen Winkel der Insel zu erschließen. Die Freihandelszone und der geringe Mehrwertsteuersatz von 15%, ursprünglich 13%, lockten auch zahlreiche internationale Unternehmen, die sich auf der Insel niederließen und somit auch viele Arbeitsplätze generierten. Tatsächlich leben aber viele Personen auf der Insel von einem 400 Euro Mindestlohn oder Sozialhilfe und müssen sich Ihr Einkommen noch mit Nebenjobs aufbessern. Mit 7,6% der Arbeitslosenrate geht es den Insulanern allerdings besser als den Portugiesen auf dem Kontinent. Die Landwirtschaft Madeiras hingegen ist weiterhin rückläufig und nur noch aufgrund Europäischer Subventionen rentabel, da die Viehhaltung eingeschränkt wurde und die Bewirtschaftung aufgrund der Topographie kompliziert und aufwendig ist. Aktuell soll die Anzahl an Hotelbetten erhöht werden, wobei insbesondere der Norden der ohnehin schon überbevölkerten Insel gefördert werden soll.

Quellen: www.atrio-madeira.com/madeira-d/wirtschaft-2.html; www.nicht-erschienen.de/Pate.html; empregarmais.blogspot.com/2010/02/desemprego-registado-crece-mais-na.html; de.wikipedia.org/wiki/Madeira#Wirtschaft

Der Weg wieder zum Downloaden als gezipptes kmz-File für Google Earth: Madeira Weg fünfter Tag

3 Reaktionen zu “Auf hohem Niveau!”

  1. Klemens

    Danksche für die imposanten Einblicke in diese Gegend!
    Lg, Klemens

  2. Kevin

    Interessante Informationen! Ich werde mich damit in Zukunft mehr beschaeftigen! Freue mich auf weitere Beitraege!

  3. Dennis

    Super neuer Post! Ich werde da noch mal nachhaken!

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